Tag 1 einer mystischen, bezaubernden FaulenzerInnentour ins Waldviertel.
Umgeben von Gerüchen diverser getrockneter Kräuter, die in bunt gestapelten, kleinen Kartonpaketen in den Regalen auf die Käuferinnen warten trafen sich die ersten Abordnungen der WWW-Frauen. Hier kaufen überwiegend Frauen ein und sie nehmen Teesorten wie „Mann sein, Druidenmix, Heavy Metal oder Hexentanz“ aus den Regalen, um sich zu Hause in Musestunden oder zum Frühstück die seltsamen Kräutermischungen mit heißem Wasser aufgebrüht, zu sich zu nehmen. In der Hoffnung, die auf den Packungen beschriebenen „Stockholder“ haben die Brennnesselblätter, Brombeerblätter, Birken- und Holunderblüten, Beifuß, Salbei oder Thymian richtig gemischt, dass die eigene Ruhe, Kraft und Energie quasi über den Magen den ganzen Körper durchtrömt und schlummernde Energien aktiviert, wie ein „Warp-Antrieb“ bei Sternenschiffen. Andere greifen zu den Gewürzen wie „Italienische Mischung, Scharfmacher, Glückskräuter, usw.“ mit der Gewissheit hier wird altes, fast geheimes Wissen in den Kräutermischungen für die heimische Küche verfügbar gemacht. Die BetreiberInnen dieser Ethnobotanikzentren achten auf eine Aura des Geheimen und der Gesundheit. Als Kunde habe ich den stetigen Eindruck etwas Exklusives fast Ausserirdisches mitzunehmen. In diesen Shops reist man nicht wie Jack O‘Neil durch das Sternentor, sondern als kommende KüchenzauberInnen durchs Sonnentor.
Die vier WWW-Frauen treffen sich mit zwei männlichen Begleitern (Franz M. und ich) im angrenzenden Biorestaurant, um die Kräuter- und Teemischungen in der heimischen Küche selbst zu kosten. Bei einem freudigen Fest des Gaumens, mit den Frauen Gutes genießen, Zeit sich auszutauschen, sich wundern, was der Tag bringt, darüber schmunzeln was die Feminaxen für das liebe Leben so alles parat haben. Die Restaurantbeschreibung verspricht einen Ausblick auf eine gute Suppe, frische Gerichte, ein entspannendes Getränk und süße Verführungen.
Gut verköstigt geht es weiter tief in das Waldviertel in ein Zentrum der Ruhe und Entspannung. In die Magie es Waldviertels wie der Schriftsteller Reinhard Habeck es nennt. Hier wo geheimnisvolle Moorlandschaften, bizarre Wackelsteine, dunkle Forste, vefallene Runinen und mystische Sagen das Tor zu einer anderen uns meist verborgenen Welt öffnen.
Geheime, verborgene Wanderkorridore in den Wäldern des Waldviertels bringen längst vertriebene und von uns brutal ausgerottete Tiergattungen wie Elche, Luchs und Wolf zurück in diese Wälder. Ein guter Freund von mir, Max Norden, hat hier zu nächtlicher Stunde bei seinen nanologischen Studien für das Kosmodrom Nowosibirsk erlebt, wie ein wildgewordenes Tier mitten durch ihr Lager gebraust ist.
Diese Mystik machen sich auch KünstlerInnen zunutze. Franz Xaver Ölzant inszenierte eine Skulpturengruppe von Steinfindlingen in der Nähe von Waidhofen an der Thaya. Diese „Basilika“ hat ihre Wurzeln in der amerikanischen Land Art und ist ein Versuch ein spannungsgeladenes Verhältnis von Kunst und Natur herzustellen. Ich beschreite bei meinem Vergleich lieber das Wurmloch in den hohen Norden Europas nach Gotland. Die bizarren Steinsäulen sogenannte Raukars an der Ostseeküste in Langhammarsgubben in Farö bieten eine geradezu mystische Verbindung zum Waldviertel. Mir ist nicht bekannt, ob jemals Wikinger oder Nordmänner ins Waldviertel vorgedrungen sind, aber an vielen Orten dieser Welt ranken sich alte überlieferte Geschichten wie mystische Lianen um diese Steinsäulen. Wie ein zu Stein gewordener Fingerzeig, dass wir mit den Kräften der Natur und mit uns sorgsam umzugehen haben.
Auf der weiteren „Safari zu unserem Ich“ dringen wir weiter zu den Koordinaten 48°35′20.27″N 15°16′19.69″E im Waldviertel vor. Am Faulenzerhof in Friedersbach verlassen wir unsere motorisierten Vehikel und checken in einer Oase der Ruhe und Erholung ein.
Hier wird für den Körper ganzheitlich gesorgt. Massage, Wellness, Speise und Trank umgarnen den Körper ganzheitlich in einer Wohlfühlzone. Neben der Entspannung werden wir hier zur „Kunst des Schlafens“ hingeführt. Wie bereits der chinesische Philosoph Chuang Tzu vor 300 Jahren schrieb: „Alles ist eins; im Schlaf ist die Seele ungestört und aufgenommen in diese Einheit; im Wachen hingegen ist sie abgelenkt und sieht die verschiedenen Gegebenheiten der Welt.“
Die ArbeiterInnenbewegung hat den Luxus der eigenen Schlafräume im 20. Jhdt. für uns erkämpft. Was heute wie eine Selbstverständlichkeit erscheint, war ursprünglich ein Privileg der reichen Oberschicht. Unsere Vorfahren wohnten in einem einzigen Zimmer und die Betten mussten sich oftmals geteilt werden oder man war als BettgeherIn auf ein fremdes Bett angewiesen für das man Miete zahlen musste.
Heute geht es eher darum in einer Zeit der Hektik, der ständigen Erreichbarkeit, des permanenten Produktivseins den „Raum“ für das Ausruhen und Schlafen zufinden. Kritisch betrachtet wird aus dem menschlichen Bestreben der Ruhe und Selbstverwirklichung, das uns der neoliberale, kapitalistische Wirtschaftswahnsinn gewinnbringend permanent entreißen will, ein neuer Geschäftszweig aufgemacht. Aber nichts desto trotz gleiten wir dieses Wochenende in das Wurmloch der Erholung und Ruhe.
Nach dem Beziehen der FaulenzerInnenzellen und den Schmankerl im Hotel bei Tee von Sonnentor, Speck und Apfelstrudel aus dem Waldviertel halten wir uns an den Ausspruch von Humphrey Bogart „Man muss dem Leben immer mindestens einen Whisky voraus sein!“
Im Dunklen versammeln sich die WWW-Frauen, ein Whisky-Jünger und der Fahrer zu einer geheimnisvollen Tour in die Gemeinde Rappottenstein in die Ausläufer des Kamptals. Altes Waldviertler Wissen über das Alkoholbrennen gemischt mit nachhaltig bewirtschafteten Getreidefelder und der Mixtur wertvoller Kräuter und geheimer Essenzen, die einen Trank ergeben, der dem Druiden Miraculix alle Ehre gemacht hätte. Wir tauchen ein in eine Welt der Destillate von zart rauchig bis zu den rauchigen Whiskies, wo manche Verkosterinnen zu straucheln beginnen.
Bernsteinfarben funkelt in der Flasche
malzgebräunter Trunk voll Torf und Rauch
Hermano uns kredenzt uns einen herrlichen Schluck
der Gaumen und der Geruchssinn ganz entzückt
und lässt tanzen in uns die Rezeptoren und Geschmacksknospen wie verrückt.
Nach diesem Tango an Geschmack tanzten wir weiter zum Nord-Süd-Gin aus 15 Kräutern und Gewürzen. Bei einem Zwischenstopp kosteten wir den fassgelagerten Rum Hermano.
Nach dem Abschied von dem molligen und runden Rum gabs zum Abschied aus der Produktpalette noch einen Zigarrenbrand geteift im Maulbeerbaumfass mit Holz und Vanille gepaart mit Birne. Mit der finalen Verkostung mahnte der Fahrer zum Aufbruch, denn das Abendessen wartete im Faulenzerhof.